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"Hesse ist, wer Hesse sein will" Georg August Zinn


Rezension: 


Frank Schuster: Büchner Sixty-Nine, Roman

Darmstadt 1969. Die Studentenrevolte hallt auch in der beschaulichen kleinen Großstadt nach. Ein rebellischer Jung-Lehrer mischt Schulen in der Region auf, spricht mit Schülerinnen und Schülern auch außerhalb des Bio-Unterrichts über Sex und stiftet sie zum politischen Ungehorsam an.  Er verliert seinen Job, die Schülerschaft geht für ihn auf die Barrikaden, sogar die Scheiben einer Straßenbahn gehen zu Bruch – die Büchnerpreisverleihung dieses Jahres muss mit Polizeigewalt geschützt werden. Diese wahre Geschichte bildet den Hintergrund für „Büchner Sixty-Nine“ – den soeben im „mainbook“-Verlag in Frankfurt am Main erschienenen Roman von Frank Schuster. Der Schüler Michael ist die Hauptfigur, im Laufe der Story geht es in all den politischen Wirren auch um sein Coming Out als Trans-Person. Der Roman ist flott geschrieben, die internationale Hippie-Kultur der 68er Zeit mit Kinderläden, den Stones und Kraut-Rock sowie revolutionären Flugblättern (die manchmal etwas zu ausführlich zitiert werden), wird anschaulich verwoben mit lokalen Besonderheiten, die sich bis heute gehalten haben - ob das gemeinsame Bier der Jugendlichen im Innenstadtpark Herrngarten oder die Demo am zentralen Verkehrsknoten Luisenplatz.
Georg Büchner ist so etwas wie der „rote Faden“ der Geschichte – in Darmstadt, wo er lebte, ohnehin allgegenwärtig. Selbstverständlich sind auch Schüler – Schülerinnen gibt es damals dort noch nicht- des örtlichen Büchner-Gymnasiums am Protest beteiligt, er richtet sich dann auch gegen die alljährliche Büchnerpreis-Verleihung. Frank Schuster macht sehr schön klar, dass der damalige Preisträger Helmut Heißenbüttel eigentlich viel Verständnis für die aufbegehrende lokale Schülerschaft mitbringt. Diese Bezüge machen den Roman-Titel „Büchner Sixty-Nine“ plausibel – wobei die Paläste, denen 1969 der Krieg erklärt wird, nicht mehr von Fürsten regiert werden, sondern von gewählten Sozialdemokraten, von denen einige noch im Widerstand gegen die Nazis aktiv waren. Die mögen es nicht, wenn ihnen von Studierenden und Jung-Lehrer*innen, die kurz zuvor womöglich noch in ihrer Partei waren, faschistoides Verhalten vorgeworfen wird. Frank Schuster verklärt den Protest nicht, macht aber mit einer kleinen Rahmenhandlung, die 2019 spielt und den Klimaprotest der Generation Greta thematisiert, klar: Radikales Engagement der Jugend – ob für eine freiere Schule oder Sexualität oder gegen den Treibhauseffekt – sollte auch von anderen Generationen mit Toleranz aufgenommen werden.
Vor allem für Darmstadt-Liebhaber*innen empfehlenswert!

 Frank Schuster: Büchner Sixty-Nine, Roman, 217 Seiten, Mainbook-Verlag FfM, 14 Euro.

Ludger Fittkau, im Juli 2025

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Petra Gehring
Biegsame Expertise
Geschichte der Bioethik in Deutschland
Mit zahlreichen Abbildungen

"Das neue Standardwerk zur Bioethik" (Suhrkamp)


Pressestimmen
»In ihrem monumentalen Übersichtswerk zeigt die Philosophin Petra Gehring, wie die Bioethik in Parlamenten, Medien und Universitäten Einzug fand.« ― DIE ZEIT Published On: 2025-02-26
»[Eine] großartige Zusammenschau ..., die nur jemand zu leisten vermochte, der die ›Verfertigung‹ der Bioethik über lange Zeit und aus der Nähe mitverfolgt und sich zu ihr nicht selten auch zu Wort gemeldet hat.« -- Hans-Jörg Rheinberger ― Frankfurter Allgemeine Zeitung Published On: 2025-02-05
»[Petra Gehrings] Analyse ist … eine hochgradig originelle Wissen(schaft)sgeschichte.« -- Marc Strotmann ― Soziopolis Published On: 2025-05-27

"Wann, wie und warum kam die Bioethik nach Deutschland? Wie konnte sie sich in der Turbulenzzone zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit so erfolgreich etablieren? In Biegsame Expertise schreibt Petra Gehring die spannende Geschichte einer Diskursformation, die binnen weniger Jahrzehnte in einer hochpolitischen Arena entstand. Denn Parlamente, Massenmedien und Protestbewegungen spielten hierbei eine ebenso wichtige Rolle wie Medizin und Recht, Theologie und Philosophie sowie das Zauberwort »interdisziplinär«.
Auf Basis zahlreicher Zeitzeugengespräche und umfangreicher Hintergrundrecherchen schildert Gehring die Debatten etwa um Organtransplantation und Hirntoddefinition, um »Retortenbabys« und Präimplantationsdiagnostik, aber auch die Kämpfe darum, was überhaupt als ethische Expertise gelten soll. Sie zeichnet nach, wie sich die Vorstellung einer instrumentell »anzuwendenden« Ethik zu einem wirkmächtigen Leitbild verfestigt hat. Und sie reflektiert kritisch die Rolle einer Ethik, die zugleich Wissenschaft, Auftrittsformat und mächtige Einflussgröße ist. Biegsame Expertise bietet somit auch eine Theorie der Macht der angewandten Ethik, ist aber vor allem ein fesselndes Stück Zeitgeschichte öffentlicher Moralität." (Quelle: Suhrkamp-Verlag)

Bibliografische Angaben
Fester Einband mit Schutzumschlag, 1500 Seiten, Sprachen: Deutsch
978-3-518-58820-8
Suhrkamp Wissenschaft Hauptprogramm

Preis: 78 Euro

Petra Gehring, geboren 1961, ist Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt. Sie arbeitet zu einem breiten Spektrum von Themen, von der Geschichte der Metaphysik bis hin zur Technikforschung und zu den Methoden der Digital Humanities. Sie war u. a. Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und ist derzeit Vorsitzende des Rats für Informationsstrukturen der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern sowie Direktorin des Zentrums verantwortungsbewusste Digitalisierung.