Hessencast.de
"Hesse ist, wer Hesse sein will" Georg August Zinn

Petra Gehring
Biegsame Expertise
Geschichte der Bioethik in Deutschland
Mit zahlreichen Abbildungen

"Das neue Standardwerk zur Bioethik" (Suhrkamp)

"Wann, wie und warum kam die Bioethik nach Deutschland? Wie konnte sie sich in der Turbulenzzone zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit so erfolgreich etablieren? In Biegsame Expertise schreibt Petra Gehring die spannende Geschichte einer Diskursformation, die binnen weniger Jahrzehnte in einer hochpolitischen Arena entstand. Denn Parlamente, Massenmedien und Protestbewegungen spielten hierbei eine ebenso wichtige Rolle wie Medizin und Recht, Theologie und Philosophie sowie das Zauberwort »interdisziplinär«.
Auf Basis zahlreicher Zeitzeugengespräche und umfangreicher Hintergrundrecherchen schildert Gehring die Debatten etwa um Organtransplantation und Hirntoddefinition, um »Retortenbabys« und Präimplantationsdiagnostik, aber auch die Kämpfe darum, was überhaupt als ethische Expertise gelten soll. Sie zeichnet nach, wie sich die Vorstellung einer instrumentell »anzuwendenden« Ethik zu einem wirkmächtigen Leitbild verfestigt hat. Und sie reflektiert kritisch die Rolle einer Ethik, die zugleich Wissenschaft, Auftrittsformat und mächtige Einflussgröße ist. Biegsame Expertise bietet somit auch eine Theorie der Macht der angewandten Ethik, ist aber vor allem ein fesselndes Stück Zeitgeschichte öffentlicher Moralität." (Quelle: Suhrkamp-Verlag)

Bibliografische Angaben
Erscheinungstermin: 13.01.2025
Fester Einband mit Schutzumschlag, 1500 Seiten, Sprachen: Deutsch
978-3-518-58820-8
Suhrkamp Wissenschaft Hauptprogramm

Preis: 78 Euro

Petra Gehring, geboren 1961, ist Professorin für Philosophie an der TU Darmstadt. Sie arbeitet zu einem breiten Spektrum von Themen, von der Geschichte der Metaphysik bis hin zur Technikforschung und zu den Methoden der Digital Humanities. Sie war u. a. Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin und ist derzeit Vorsitzende des Rats für Informationsstrukturen der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern sowie Direktorin des Zentrums verantwortungsbewusste Digitalisierung.

Die Waldjugend besucht das Moor im mittelhessischen Burgwald (Foto: Ludger Fittkau)

„Rettet den Burgwald!“

-Eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Hessens vom Klimawandel bedroht -

Radioreportage Burgwald
Erstellt im Dezember 2021
Burgwald SF.MP3 (13.52MB)
Radioreportage Burgwald
Erstellt im Dezember 2021
Burgwald SF.MP3 (13.52MB)

Stichworte zur Anmod:

Wäre er ein Nationalpark, was schon häufiger im Gespräch war, er hätte die dreifache Größe des bisher einzigen hessischen Nationalparks Kellerwald-Edersee: der Burgwald in Mittelhessen nördlich von Marburg. Eine der Kostbarkeiten dieses riesigen zusammenhängenden Waldgebietes: sogenannte „Durchströmungsmoore“, wie es sie nur noch ganz selten in den nördlichen und mittleren Gebieten Deutschlands gibt. Das Problem: Der Klimawandel gefährdet das Grundwasser, das bisher die Moore des Burgwaldes durchströmt. Außerdem befürchten Waldexperten: das Trinkwasser, das die Stadt Frankfurt am Main hier abzapft, könnten dem Burgwald künftig fehlen. Ludger Fittkau berichtet.

Beitrag beginnt mit O-Ton

„Wir wollen uns heute mal mit dem Thema Moor beschäftigen, das hatten wir Euch ja schon angekündigt. Habt ihr Euch da schon was rausgesucht und habt ihr schon Fragen?“

Fragt Bernd Wegener, der zuständige Revierförster in Cölbe im mittelhessischen Burgwald eine Kinder- und Jugendgruppe, die er heute ins Moor führen wird. Die Kinder sind noch ein bisschen aufgeregt und albern herum:

„Da ist ein Haufen Matsch drin“ (lachen)

Bernd Wegener weist den Weg und zeigt den Kindern, dass sie am Rande der Moorflächen bleiben sollen:

„Bleibt bitte aus dem Wasser raus, denn das hier ist der Bereich, wo das Wasser aus dem Untergrund an die Oberfläche tritt, weil hier wahrscheinlich Moor drunter ist. Hier kommt das Wasser an die Oberfläche und bildet zusammen mit dem Regen die Grundlage für das Moor.“

Die Kinder und Jugendlichen, die nun vorsichtig ins Moor gehen, gehören zur sogenannten Waldjugend. Diese zählt zur Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und engagiert sich schon seit langem auch dafür, die Moore im mittelhessischen Burgwald zu erhalten. Etwa, in dem junge Fichten aus dem Moor entfernt werden, die sonst dem Boden zu viel Wasser entziehen würden. Jan-Phillip Schröder leitet die Jugendgruppe:

„Dahinten liegt zum Beispiel ein Haufen von einer Aktion, die wir herausgenommen haben, damit hier weniger Wasser entzogen wird. Und das Moor ein Moor bleibt.“

Es war der Forstdirektor Eberhard Leicht, der von den Waldpädagogik-Aktionen im Burgwald erzählt hat. Leicht leitet das Forstamt des knapp 20.000 Hektar umfassenden Waldes – einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete des Landes.  Eine Besonderheit hier sind die sogenannten „Durchströmungsmoore“. Sie werden kontinuierlich durch einen Grundwasserstrom feucht gehalten. Torf, also der durch Zersetzung von pflanzlichen Substanzen entstandener dunkelbraune Mooruntergrund, bindet viel Kohlenstoff. Würde dieser in die Luft gelangen, befördert er die Erderwärmung. Bleibt der Torf im Boden, könnte das den Klimawandel verzögern.

Das wissen zumindest einige Kinder der Waldjugend bereits:

„Weil das Moor mehr Kohlenstoff als der Wald aufnimmt“.

Forstamtchef Eberhard Leicht hatte jedoch schon vor der Exkursion in den Wald im alten Forsthaus erklärt, warum der Klimawandel die Moore im Burgwald bedroht:

„Also wir haben im Burgwald die Situation, das eigentlich schon seit dem Jahr 2007 keine Grundwasserneubildung mehr stattgefunden hat. Was wir machen, ist im Moment von der Substanz leben und auf jeden Fall ist das ein deutliches Signal, dass wir definitiv und deutlich sparsamer mit der Ressource Wasser umgehen müssen.“

Nochmal Atmo Gehen auf Moor-Boden

Revierförster und Waldpädagoge Bernd Wegener erklärt der Waldjugendgruppe, dass die Feuchtigkeit des Moores auch den Bäumen guttut, die am Rande des Moores stehen.

„Und ihr seht hier ringsum, die Wälder sehen noch richtig intakt aus, die Fichtenbestände sind noch lebendig. Während in anderen Bereichen, wo kein Moor in der Nähe ist, da sind ja riesige Flächen kahlgeschlagen, weil der Borkenkäfer die dann aufgefressen hat.“

Der Borkenkäfer kann sich nämlich von trockenen Bäumen besser ernähren als von feuchten. Das Forstamt Burgwald künftig die Fichten durch mehr Mischwald ersetzen – auch um das Moor zu schützen. Der Amtsleiter Eberhard Leicht deutet auf ein bestimmtes Waldstück an Rand des Moores:

„Da haben wir unter die Nadelbäume Laubbäume gepflanzt. Ahorn zum Beispiel und Buchen. Und auch Kirschen. Dann sollen diese Laubbäume Schritt für Schritt den Nadelwald ablösen. Die Idee, die dahintersteckt, ist das der Freilandniederschlag zu größeren Anteilen durch das Laub hindurchgeht und dann für die Versickerung im Boden zur Verfügung steht, als das beim Nadelwald der Fall wäre.“

In der Kleinstadt Wetter am Rande des Burgwaldes lebt Dr. Anne Archinal. Die gelernte Biologin ist Vorsitzende der „Aktionsgemeinschaft Rettet den Burgwald“. Die Initiative hat sich bereits vor fast 50 Jahren gegründet. Sie konnte den Bau einer Autobahn mitten durch den Wald verhindern. Doch nun gefährden aus Sicht der Naturschützerin der Klimawandel sowie zu viel Trinkwasserentnahmen die wertvollen Moore:

„Und die Bedrohung jetzt für den Burgwald ist tatsächlich, dass die Grundwasserpegel in den Mittelgebirgen rückläufig sind. Ja, wir haben nicht mehr diese großen Niederschläge im Winter und nicht mehr genug Schnee, der langsam abtaut und in den Untergrund sickert, dass fehlt alles. Und deswegen müssen wir umdenken, was Grundwasser angeht.“

Anne Archinal richtet diesen Appell konkret an die Adresse der Politik in Frankfurt am Main. Denn über die Fernwasser-Leitung wird Grundwasser vom Rande des Burgwaldes und aus dem angrenzenden Vogelsberg-Vulkangebiet als Trinkwasser in die wachsende Mainmetropole gepumpt. Jahrzehntelang war das kein Problem, doch der Klimawandel ändert nun die Lage grundlegend:

„Im Rhein-Main- Gebiet, die großen Flüsse Hessens, sind im Grunde im Frankfurter Raum angesiedelt, und da gibt es viele Alternativen. Die sind aber gar nicht erst geprüft worden, sondern das ist natürlich in Anführungszeichen billiger, das Wasser hier einzukaufen.“

Inzwischen werden die Alternativen in Frankfurt geprüft – etwa die Aufbereitung von Main-Wasser für den Trinkwasserverbrauch, finanziert möglicherweise durch eine neue Abgabe – den sogenannten „Wassercent“.

Atmo Gehen im Moor


Forstamt Burgwald (Foto: Ludger Fittkau)

Bereits seit seiner Kindheit geht Eberhard Leicht immer wieder über die schwankenden Moorwiesen des Burgwaldes. Denn er stammt aus Rosenthal. Mit kaum mehr 2000 Einwohnern ist der Ort die kleinste Stadt Hessen und liegt mitten im Burgwald. Wer nach Rosenthal will, muss aus jeder Richtung erst einmal rund zehn Kilometer durch dichten Wald fahren. Die Menschen hier leben seit Jahrhunderten in einer Art Symbiose mit dem Wald, erklärt Eberhard Leicht. Er deutet am Rande des Moores auf einen Gedenkstein, auf dem eine Tafel mit einer Axt, einer Handsäge und einer sogenannten „Sappie“ zu sehen ist – einer Spitzhacke, mit der Holz bewegt werden kann. Ein Denkmal für den gefährlichen Beruf des Waldarbeiters:

„Da wollten wir darauf aufmerksam machen, dass über viele Jahrhunderte der Wald Arbeitsplatz gewesen ist für die Menschen hier aus der Region. Viele haben hier nicht nur ihren Broterwerb gefunden haben, sondern oft auch leider auch ein tragisches Schicksal. Und diesen Berufsstand, der eigentlich so eng mit diesem Waldgebiet verbunden ist, den wollten wir hier damit einen kleinen Erinnerungspunkt hier schaffen.“

Atmo gehen im Moor

Eberhard Leicht bleibt beim Gang durch das Moor plötzlich stehen und beugt sich tief nach unten. Auf dem Moos wachsen leuchtend rote Beeren, die er mit ein paar Blättchen drum herum in die Hand nimmt:

„Und diesen kleinen Blättchen, das sind die Stängelchen der Moosbeere hier. Diese kleinen Stängelchen liegen quasi über dem Moospolster und entwickeln so einen leichten Teppich.

Frage: „Das sind wirklich schöne rote Beeren sind. Sind die essbar?“

„Ja, die sind essbar. Eine nahe Verwandte, ist ja die Cranberry“.

Frage: „Wieviel Mohr Ist jetzt quasi unter unseren Füßen, kam man das irgendwie messen?“

„Hier in diesem Bereich ist sicher die größte Tiefe irgendwo zwischen ein und zwei Metern.  Von Moor spricht man eigentlich erst dann, wenn die Moor-Schicht über dem Waldboden eine Mindeststärke von 30 Zentimetern erreicht hat. Ansonsten spricht man von einem an-moorigen Waldboden. Ist diese Schwelle überschritten von 30 Zentimetern spricht man wirklich von einem Moor.“

Schon das Gehen auf dem nachgebenden Moor-Boden macht deutlich: der Einsatz schwerer Forstmaschinen etwa zum Fällen von Nadelbäumen ist hier nicht möglich.

Den Boden zu schonen und nicht durch schwere Maschinen zu stark zu verdichten – das ist noch aus einem anderen Grund wichtig, ergänzt Förster Eberhard Leicht. Parallel zur Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal habe es auch in Burgwaldregion Starkregen gegeben, der zu Überflutungen in Dörfern führte. Das Forstamt versucht nun mit Hilfe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der nahe gelegenen Universität Marburg herauszufinden, ob es im Wald noch Möglichkeiten gibt, den Hochwasserschutz zu verbessern. Eberhard Leicht:

„Also es ist auf jeden Fall so, dass der große Maschineneinsatz - vor allen Dingen im hängigen Gelände -  dass der dazu führt, dass über die Fahrlinien Wasser relativ schnell eben abgeführt wird. Das haben wir jetzt auch gesehen beim Starkregenereignis im Juni dieses Jahres. Da sind im Prinzip über die Fahrlinie kleine Bäche aus dem Wald rausgeflossen und teilweise an einem Punkt sogar durch eine hier naheliegende Ortschaft. Also es gibt da auf jeden Fall Beeinträchtigungen.“

Der Forstamtsdirektor am Gedenkstein

Der Gang der Waldjugendgruppe durch das Moor geht zu Ende. Schließlich wird noch die Sache mit den Moorleichen kurz ein Thema. Waldpädagoge Bernd Wegener:

„Mit den Moorleichen ist das so: Wenn Menschen im Moor versinken oder auch versenkt werden, dass die in diesem Torf eingeschlossen werden. Durch die Säure, die im Torf drin ist, werden die luftdicht abgeschlossen. (…) Dann kann man da ganz tolle wissenschaftliche Sachen draus entdecken. Zum Beispiel: Die haben ja noch die Sachen im Magen drin, da kann man genau sehen, was die mal gegessen haben.“

Essen – das ist das Stichwort. Die Waldjugend-Gruppe will zur Weihnachtsfeier. Und Biologin Anne Archinal von der Vorsitzende der „Aktionsgemeinschaft Rettet den Burgwald“ bringt noch einmal ein Argument dafür, warum der Burgwald aus ihrer Sicht nicht unbedingt der zweite hessische Nationalpark werden muss:

„Der Burgwald ist ein Kleinod. Es kennen ihn nicht so viele, er ist höchst schützenswert, besonders die Moore dort drinnen. Aber will man wirklich diesen Tourismus, den so Nationalpark auch an anzieht? Also, das ist die Frage. Man hat es gesehen, jetzt in der Pandemie, wie viele Leute plötzlich ihre Heimat entdecken. Und es an Sonntagen manchmal so voll war im Burgwald, wie noch nie. Was schön ist, dass Leute ihre Heimat entdecken! Aber es ist wie alles immer so – ein: „Jein“. (Lacht)

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Schutz der Privatsphäre der Schülerschaft:

Datenschützer raten Bildungsmedien auf der Buchmesse zur Kooperation mit Behörden

Stichworte zur Anmod:

Die Corona-Krise hat in den Schulen zwangsläufig zu einem Digitalisierungsschub geführt. Die Schulbuchverlage sind längst auch Anbieter umfangreicher elektronischer Bildungspakete und von Lernplattformen. Doch bei der Buchmesse in FfM mahnt der staatliche Datenschutz: Wer verhindern will, dass Daten der Schüler*innen in die USA abfließen oder das heimlich „Lernbiografien“ entstehen, sollte bei der Datensicherheit frühzeitig mit den Aufsichtsbehörden kooperieren. Ludger Fittkau berichtet.

Beitragstext:

Lutz Hasse ist der Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Auf dem „Forum Bildung“ der Frankfurter Buchmesse mahnte er die deutschen Bildungsmedien und Verlage eindringlich dazu, die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler zu schützen. Denn immer noch fließen zu viele Daten aus deutschen Schulen in die USA ab – immer dann nämlich, wenn Schulleitungen oder Anbieter von Bildungsmedien Plattformen von US-Internetgiganten für ihr Onlineangebot benutzen. Der europäische Gerichtshof verlangt nun auch von den deutschen Behörden, die Nutzung unsicherer US-Produkte zu verbieten. Lutz Hasse:

„Das ist nicht unproblematisch für uns. Wenn sie jetzt an die großen amerikanischen Player denken, die auch im Schulbereich unterwegs sind. Aber denken Sie mal über den Schulbereich hinaus: alle Behörden, alle Unternehmen, alle Privathaushalte müssten jetzt Microsoft-Produkte abschalten. Das könnten wir auf der Grundlage dieses EuGH-Urteils tun. Wir würden dann irgendwie gelyncht, sicherlich.“

Die Landesdatenschützerinnen und Schützer seien jedoch mit den Kultusministern im Gespräch. Man suche gemeinsam einen Weg, die Privatsphäre von Schülerinnen und Schülern, die etwa mit der Videoplattform „Microsoft Teams“ arbeiten, besser zu schützen. Lutz Hasse, der Thüringer Datenschutzbeauftragte:

„Ich habe Schulterschluss mit der KMK letzte Woche gemacht - mit der Kultusministerkonferenz. Wir werden mit dem einen großen Player, den ich schon erwähnt habe, noch einmal das Gespräch suchen. Die Gespräche sind aber leider nicht zielführend.“

Besser sei es aus Sicht des staatlichen Datenschutzes, wenn heimische Software-Firmen bei der Entwicklung sicherer europäischer Lern-Plattformen und digitaler Bildungsmedien frühzeitig mit den Behörden zusammenarbeiten. Einzelne positive Beispiele gäbe bereits, so der Thüringer Landesdatenschützer.

Frank Thalhofer, Vorstandmitglied des Verbandes Bildungsmedien e.V. in dem sich 80 Schulbuch- und Medienverlage zusammengeschlossen haben, betont: die meisten Verlage halten sich an die Vorgaben der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung, um den Abfluss von Schülerdaten zu verhindern. Dazu werden auch Vereinbarungen mit Schulen geschlossen. Frank Thalhofer:

„Für die Schulen ist es wirklich ein aufwendiger – zeitaufwendiger -auch zum Teil quälender Prozess und auch für uns. Weil wir da wirklich einige Zeit brauchen durch die entsprechenden Formulare.“

Die Verlage der Bildungsmedienbranche wollen deshalb nun vor allem die Kultusministerin der Länder einbeziehen, um die elektronischen Medien flächendeckend zu zertifizieren – wenn sie mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung – kurz DSGVO – konform sind:

„Also diese Verfahren zu regeln, das sozusagen das Bundesland mit Bildungsmedienanbietern eine entsprechende Rahmenvereinbarung auf Basis der DSGVO schließt, sodass die Schulen entlastet werden. Die haben dann quasi wie so ein Gütesiegel.“

Ein Gütesiegel für die Beachtung von Diversität in der Gesellschaft – das stellten beim „Forum Bildung“ der Frankfurter Buchmesse Expertinnen und Experten neuen Bildungsmedien aus. Während in älteren Schulbüchern Diversitätsaspekte oft nicht genug beachtet worden seien, gäbe es in den Bildungsmedien vor allem der letzten zwei Jahre viel Sensibilität für die heterogene Gesellschaft. Riem Spielhaus ist Professorin am Leibniz-Institut für internationale Schulbuchforschung. Sie sieht zwar noch nicht alle Minderheiten ausreichend in Schulmedien repräsentiert. Aber:

„Wir sehen in Workshops mit Akteuren der Bildungsmedienbranche und Autor*innen sehr viel Offenheit und Reflektionsbereitschaft. Das ist besonders wichtig dabei.“

Dass noch häufig alte Schulbücher mit wenig diversem Gesellschaftsbild im Umlauf seien, hänge schlicht damit zusammen, dass den Schulen oft das Geld fehle, um die neuen Medien anzuschaffen. So Udo Beckmann, Lehrer und Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung – kurz VBE:

„Es ist einfach so, dass wir mit sehr alten Schulbüchern arbeiten müssen, die bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen noch nicht aufgreifen konnten.“

Die elektronischen Medien bieten aber die Möglichkeit, schneller auf neue Themen reagieren zu können, so Beckmann. Das sei ein entscheidender Vorteil der Digitalisierung.

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„Hier ist alles sehr ursprünglich -  das ist cool“

Das „Rote Moor“ in der Rhön zwischen  Renaturierung und Bedrohung durch den Klimawandel 

Offenes Areal im Roten Moor - hier wurde früher Torf abgebaut (Foto: Ludger Fittkau)


Stichworte zur Anmod.

Moore sind bedeutend, wenn es um die Verlangsamung der Erderwärmung geht.  Sie binden viel CO2. Von den ursprünglich rund 1,5 Millionen Hektar Moor in Deutschland - entsprechend 4,2 Prozent der Fläche des Landes - gelten laut Bundesumweltministerium heute nur noch etwa fünf Prozent als naturnah. Viele Moore wurden trockengelegt, um die Flächen landwirtschaftlich nutzbar zu machen.  Oder es wurde Torf gestochen. Wie im „Roten Moor“ in der Rhön – dem größten Hochmoor Hessens. Damit ist seit langem Schluss. Doch nun könnte der Klimawandel  die Renaturierung des „Roten Moores“ stoppen. Ludger Fittkau berichtet.


Beitrag beginnt mit Atmo, überblenden in O- Ton Collage


Ein Waldweg am Rande des „Roten Moores“ in der hessischen Rhön.  Das Moor liegt auf rund 800 Metern Höhe und ist 50 Hektar groß – das sind rund 70 Fußballfelder.  Ein Bohlenweg  führt durch einen Birkenwald und über feuchte Torfmoor-Flecken zu einem Aussichtsturm am Rande des Areals, an dem noch bis vor wenigen Jahrzehnten Torf abgebaut wurde. Der Bohlenweg, auf dem man in rund 30 Zentimetern Höhe trockenen Fußes durch das „Rote Moor“ wandern kann, ist eines der beliebtesten Ausflugsziele der hessischen Rhön.  

O-Ton-Collage:
(Mann)
„Ja, wir machen eigentlich eine schöne Wanderung heute. Und das Moor ist jetzt auch für unsere Kinder natürlich interessant.“
 (Mädchen)
„Also -  wir hatten das  im Unterricht noch nie. Aber wenn dann halt die Lehrer so fragen, wo man war, da kann man halt auch was erzählen.“
 (Mann 2)
„Ja, ich bin das erste Mal hier, und obwohl ich gar nichts so weit entfernt wohne. Ich habe eine Anfahrt von knapp einer Stunde. Aber mich interessiert das sehr. Ich schaue mir das ganz genau an, vor allen Dingen die sie interessanten Tafeln.“

Der gesamte Bohlenweg ist mit Infotafeln bestückt. Die Texte auf den Tafeln gehen maßgeblich auch auf die Arbeiten von Franz Müller zurück. Der 82 Jahre alte Biologe lebt ganz in der Nähe des „Roten Moores“  und kennt es bereits seit seiner Jugendzeit. Er hat mehrfach zur Flora und Fauna des Naturschutzgebietes publiziert. 

„Diese Hochmoore, die haben den Namen nicht deswegen, weil so hoch in den Mittelgebirgen oder sonst wo liegen, sondern weil so hoch wachsen. Und das ist eines von den Mooren in den Kammlagen der Mittelgebirge. Und in der Rhön haben wir einige in den Hochlagen. Da haben wir das Rote Moor bei uns und auf der bayerischen Seite das Schwarze Moor, das kleine und das braune Moor.“

Franz Müller hat zu seltenen Tieren, die hier leben genauso geforscht wie zu den Torfmoos-Arten, die es im Hochmoor gibt:

„In diesen Kammlagen- Mooren etwa um die 20,25 Arten. Und dieses Hochwachsen geschieht dadurch, dass diese Pflanzen, die dort wachsen, nicht vollständig abgebaut oder zersetzt werden zu Humus.  In einer Überflutung durch Regen, durch Niederschläge, die verhindern, dass die Pflanzen sich zersetzen können,  gelangen die quasi unter Wasser, und dann folgt das nächste Wachstum und die werden nicht mehr zersetzt und die Reste bleiben dann erhalten.“

Im Laufe der Zeit wachse dann das Moor langsam immer höher – über ein Zeitraum von mehreren tausend Jahren kann ein solches Hochmoor bis zu acht Metern Höhe erreichen:
„So ein Moor wächst im Jahr etwa einen knappen Zentimeter – höchstens!  Manchmal nur Millimeter, je nach dem. Und das geht also sehr langsam, aber immerhin. Seit der letzten Eiszeit, vor 12.000 Jahren kann man sich ausrechnen, dass diese Moore, soweit sie ungestört geblieben sind -  hier aber leider nicht -  aber aus Erfahrung weiß man von anderen in Mittelgebirgen Europas, wo es ungestörte Moore gibt, dass die eine Mächtigkeit von acht Metern erreichen.“

Blick in den Karparten-Birkenwald des Rotes Moores (Foto: Ludger Fittkau)


Joachim Schleicher ist Förster in der Rhön, er arbeitet beim hessischen Staatsbetrieb Hessenforst. Gleichzeitig engagiert er sich seit drei Jahrzehnten beim Umweltverband B.U.N.D. Er kennt das Naturschutzgebiet „Rotes Moor“ also aus verschiedenen Perspektiven  gut:


„Naturschutzgebiet `Rotes Moor´ - da denkt man an ein riesiges Moor. Aber das Naturschutzgebiet `Rotes Moor´ besteht aus vielen kleinteiligen Standorten. Und da wird auch viel zu tun sein. Und da gibt es auch viel Diskussionsbedarf. Ich denke, in den letzten Jahren hat es wieder ordentlich Fahrt aufgenommen.“

Die vielen kleinteiligen Standorte, die Joachim Schleicher vor Augen hat, entstehen, weil das „Rote Moor“ wie das Glas einer Taschenuhr gewölbt ist:  Bis vor rund 200 Jahren war es als typisches „Hochmoor“  in der Mitte eben durch mehrschichtigen Torf-Ablagerungen höher als an den Rändern – dort leben etwa die Moosarten. 

„Und diese Moore entstehen und werden gespeist durch Niederschläge.“

Sagt Biologe Franz Müller. Deswegen droht der Klimawandel mit langen Trockenperioden für die Moore zum Problem zu werden.

„Es sind also Niederschlagsmoore, durch Regen entstanden. Und Voraussetzung ist, dass als Untergrund eine wasserundurchlässige Schicht da ist. Es sollte auch in einer Mulde liegen damit sich das Wasser ansammeln kann. Seit der letzten Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren haben  diese Moore und ihre Anfänge genommen.“

(Förster)
„Ja, entscheidend ist ja erst einmal das Wasserregime. (…) Aber wir haben natürlich ein absolutes Problem, wenn die Niederschläge weniger werden. Dass die Veränderungen im Klima vollkommen kontraproduktiv sind zu Zielsetzungen der Moor-Renaturierung.“


Noch wächst  an den flacheren, feuchten Stellen der Rhön-Hochmoore etwa die sogenannte „Karparten-Birke“ – eine typische Moorbirkenart, unten der sich auch häufig Heidekräuter und Beerenbüsche wohl fühlen. Den nächsten Ring bilden ausgedehnte Buchen- und Fichtenwälder. Doch die leiden bereits seit längerem stark unter dem Klimawandel, so  Rhön-Förster Joachim Schleicher:


 „Ja, im engeren Naturschutz müssen wir in verschiedenen Zonen denken. Aber wir müssen natürlich – jetzt setze ich mal wieder meinen Forst- Hut auf -  an andere Aspekte denken, die der Wald zu erfüllen hat. Wir sind hier ein Hotspot des Holzverarbeitungs-Gewerbes und zwar traditionell und auch das spielt eine Rolle. Wir haben eine sehr hohe Dichte an Zimmereibetrieben, an Schreinerei- Betrieben. Und wenn wir in einem Biosphärenreservat Wertschöpfungsketten kurz knüpfen wollen, dann  müssen wir natürlich auch diese Hölzer aus unseren Wäldern ernten können.“

Die Karparten-Birken am Rande der Moore können holzwirtschaftlich gar nicht genutzt werden – dennoch müssen sie erhalten werden, so Joachim Schleicher:


„ Der Diskurs zwischen Forst und dem engerem Naturschutz ist es natürlich zunächst mal: Wo wollen wir Karpatenbirken als Lebensraumtypen erhalten? Und wo wollen wir Offenland- Lebensraumtypen erhalten? Beide sind schützenswert. Beide haben keine wirtschaftliche Option, aber beide stehen zueinander in Konkurrenz“.

(Atmo: Gehen auf Bohlenweg)

Auf dem Bohlenweg geht es immer tiefer in den Karparten-Birkenwald am Rande des offenen Moorbereichs. Alle paar hundert Meter sind hier weitere Infotafeln angebracht, die etwa über die Geschichte des Torfabbaus Auskunft geben. Sie begann hier im „Roten Moor“ an der Wende des 18. zum 19. Jahrhunderts. Ein Wanderer, der seinen Namen nicht nennen will erfährt auf einer Tafel, dass im Laufe des 19. Jahrhundert der Rhön-Torf nicht mehr  vorrangig zum Heizen, sondern für medizinische Anwendungen in den umliegenden Heilbädern verwendet wurde:

„Dass hier tatsächlich Torf abgebaut wurde, in diesem Umfang und dann also auch die Badeorte beliefert wurden: Bad Brückenau, Bad Kissingen, Bad Neustadt, Bad Salzschlirf, Würzburg und Bad Homburg  - das war mir nicht bekannt.“

(Atmo)

Weiter geht es auf dem Bohlenweg durch den Birkenwald.  Nach wenigen Minuten taucht ein Aussichtsturm über den Baumkronen auf.  Er steht am Rande  der offenen Moorfläche,  auf der bis Mitte der 1980er Jahre der Torf abgebaut wurde. Seitdem gibt es umfangreiche Sanierungs-Bemühungen. Rhön-Förster Joachim Schleicher:

„Es gab ja eine große Kommission, die seit den 80er-Jahren immer wieder getagt hat. Man hat Versuche unternommen mit Spundwänden. Es ist technisch eine riesige Herausforderung. Und so wie ich die Diskussion verstehe, ergeben sich im Moment fast interessantere Aspekte auf den ab-getorften Bereichen, wo wieder eine neue Moorbildung einsetzt. Und dann muss man sich fragen, ob man mit Millionenaufwand Spundwände baut, deren Erfolg gar nicht sichergestellt ist. Oder ob man sich nicht auf das konzentriert. So wie ich die Diskussion verfolge, geht es eher in die Richtung, die abgetorften Bereiche in der Entwicklung zu unterstützen.“

Ein Bewohner der Rhön, der anonym bleiben will, macht sich jedoch große Sorgen, ob diese Renaturierungs-Projekte hier wirklich greifen. Denn auch er weiß -  ein Moor braucht viel Regenwasser. Der Klimawandel steht dem entgegen:

„Aufgrund der Niederschläge letzten Jahre hier, weil ich auch hier wohne:  Ich denke, es wird schwierig werden, dass da langfristig noch die Moore erhalten bleiben. Zumindest im Sommer merkt man es ganz eindeutig, dass es sehr trocken ist.“

Nabu-Haus in Pandemie-Zeiten (Foto: Ludger Fittkau)

Dabei sind Moore wichtig für das Weltklima: Sie speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt. Obwohl Moore nur drei Prozent der Erdoberfläche bedecken, speichern sie rund 30 Prozent des erdgebundenen Kohlenstoffs, sagt der Umweltverband BUND.  Damit binden Moore weltweit doppelt so viel Co-2 wie alle Wälder zusammengenommen. Rhön-Förster und BUND-Aktivist Joachim Schleicher:
„Ich glaube, in Deutschland ist das Problem nicht ganz so dramatisch, weil wir zumindest keine Moore  mehr in Nutz-Land, in Agrarland, umwandeln. Aber selbst in der Europäischen Union gibt es noch das. Und meiner Kenntnis nach ist derzeit Finnland, glaube ich, der Haupt Moor-Killer in Europa.“


(Atmo Moor)
Am Aussichtsturm im Roten Moor treffen sich unterdessen einige Wandergruppen – beinahe wird es schwer, hier den Corona-Sicherheitsabstand noch zu halten.

 „Er hat zugenommen, der Tourismus.“

Sagt der Röhn-Förster Joachim Schleicher:

„Wir haben natürlich Riesenprobleme mit Verkehrssicherungen. Wir müssen Haftungs-Ansprüche ausschließen, Wege sicherstellen für Touristen. Es gab einen Fall, da hat sich eine Dame am Bohlenpfad im Roten Moor den Fuß verletzt. Und da gab es sofort eine Schadensersatz-Forderung. Das ist nun mal die Zeit heute. 










Die Rundwanderung auf dem Bohlenweg  im „Roten Moor“ geht langsam dem Ende zu. Jetzt in Pandemiezeiten hilft es, dass der Weg quasi eine Einbahnstraße  ist und man nicht allzu vielen Menschen ausweichen muss, die entgegenkommen. Zurück am Wanderparkplatz wird Bilanz gezogen, ob sich die Erwartungen erfüllt haben:

O-Ton Collage:
(Mann 1)
„Ja, ich hatte schon so eine innere Vorstellung. Aber den sinnliche Eindruck ist dann doch noch stärker als die Vorstellung, ja.“
(Mann)
„Also der Birkenwald ist auf alle Fälle schon mal schön. Na ja, ansonsten ist es so wie die ganze Rhön halt: Wer die  mag, findet auch das Rote Moor dann sehr schön.“
(Mann 2)
„Ja, wir waren schon mal im Schwarzen Moor. Sieht fast genauso aus.“
(Frau 2)
„Die Naturbelassenheit, die Bäume werden ja nicht abgeräumt, sozusagen. Und hier ist alles sehr ursprünglich -  das ist cool.“

Dauerbaustelle: Rassismus am Spielfeldrand

-Männerfußball-Zweitligist „Darmstadt 98“ und Amnesty International mit gemeinsamer Kampagne -

„Wir nehmen Rassismus persönlich“. So heißt eine Kampagne, die Amnesty International bereits seit Jahren betreibt. Dabei geht es vor allem darum, Formen des Alltagsrassismus zu erkennen und sich dagegen zu wehren. Vor kurzem hat sich Männerfußball-Zweitligist „Darmstadt 98“ entschieden, die AI-Kampagne zu unterstützen und in den Stadionalltag zu integrieren. Das ist zurzeit nicht einfach: Die Fans dürfen wegen der Pandemie nicht ins Stadion kommen, das ohnehin zurzeit eine Großbaustelle ist. Wie das Thema Alltagsrassismus auch. 

 Erich Berko und Jan Becher von den "Lilien" vor Stadionbaustelle (Foto: Ludger Fittkau)

Das Gekreisch einer Kreissäge, Lastwagen rollen vorbei, es wird gehämmert und betoniert: Ich treffe mich mit Erich Berko auf der aktuell wohl bekanntesten Großbaustelle der Stadt Darmstadt: der Baustelle des Fußballstadions „Am Böllenfalltor“, in dem der Traditionsfußball-Verein „Darmstadt 98“ seit Menschengedenken zuhause ist. Die Männer-Profimannschaft kickt gerade in der 2. Bundesliga. Erich Berko schaut auf die riesige Baustelle:

„Ja, es ist definitiv sonderbar. Weil die komplette Haupttribüne fehlt. Und dementsprechend das Stadion offen ist, aber es hat auch seinen Charme.“

Den Charme des Vorläufigen, erklärt Erich Berko. Er ist 28 Jahre alt und Profifußballer des Vereins, der von sich selbst aufgrund der Blumen im Vereinswappen auch als die „Lilien“ spricht. Es sei spannend, sich vorzustellen, wie am Ende – in Post-Corona-Zeiten - die Atmosphäre im neuen Stadion sein wird. Gerade, wenn die Fans wieder da sind. Solange kommunizieren seine Mannschaftskollegen und er mit ihren vor allem über „social media“-Kanäle – auch zum Thema Rassismus, den es ja auch im Internet gibt:

„Mit Fans kann man, wenn man das forcieren möchte, über soziale Medien in Kontakt kommen. Und über soziale Medien findet auch ja Cybermobbing statt. Und Cybermobbing geht in alle Richtungen, auch mal in die Richtung, dass es rassistisch wird. Das ist dann schon auch so, dass sich da auch viele in der Anonymität des Internets verstecken. Das ist definitiv auch Fakt.“

Erich Berko beschreibt sich selbst als einen „dunkelhäutigen Schwaben“. Er engagiert sich nicht zuletzt deswegen gegen Rassismus, weil er selbst wegen seiner Hautfarbe am Spielfeldrand persönlich beleidigt wurde:

„Naja, im ersten Moment ist es schon ein Entsetzen, was da ist. Weil ich der Meinung bin, dass man immer die Person sehen sollte und nicht irgendwie die Hautfarbe oder sonst was. Und dementsprechend ist man da schon erst mal erschüttert. Und der eine geht emotionaler damit um, der andere versucht es wegzulächeln oder sonst was. Aber im Endeffekt sind es schon Schmerzen, die man da dann erleidet.“

   

„Ich nehme Rassismus persönlich.“

Gemeinsam mit mehreren anderen Spielern und dem Trainer hat Erich Berko einen Videoclip gestaltet, den der Verein auf die Homepage gestellt hat. Berko ist ehemaliger deutscher Jugend- Fußballnationalspieler mit familiärem Hintergrund auch in Ghana:

„Wir sind jetzt im Jahr 2021: Und es gibt trotzdem noch so viele Fälle, wo einfach gegen das Grundgesetz, gegen Grundrechte verstoßen werden. Und ich denke einfach, dass Deutschland für so viel mehr steht und wir uns darauf mit dem Weg machen sollten und einfach die Vielfalt versuchen zu schätzen und zu integrieren, weil da am Ende doch alle von gewinnen würden.“

Erich Berko beschreibt sich selbst als einen „dunkelhäutigen Schwaben“. Wenn ihn Leute wegen seiner Hautfarbe fragen, woher er denn komme, antwortet er wahrheitsgemäß - aus „Ostfildern-Ruit“ bei Stuttgart:  

      „Das kommt jetzt bei mir aktuell nicht ganz so durch, weil ich jetzt schon wieder eine ganze Weile hier bin. Aber wenn ich jetzt einmal bei meinen Eltern zu Besuch war und mit meinen Freunden in der Heimat unterwegs bin, da wird dann auch ein bisschen mehr geschwäbelt. Und wenn ich dann wieder zurückkomme, dann hört man das schon auch ein bisschen raus. Und ja, dann wird man da dann auch darauf angesprochen. Definitiv.“  

Lilienschänke am Stadion - genannt "Bölle" (Foto: Ludger Fittkau)

Erich Berko ist zusammen mit Jan Becher zum Gespräch an den Baustellenrand gekommen. Das ist der Social-Media-Manager des Vereins. Gemeinsam mit  den Spielern engagiert sich Jan Becher in der neuen Kampagne des Vereins gegen Rassismus – auch im Profifußball. Die Aktion hat der Fußballclub zusammen mit Amnesty International gestartet:

„In dem Fall war es so, dass wir im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus auf Amnesty zugegangen sind, weil die -  wie jeder weiß - schon seit Jahren für Menschenrechte und verschiedene Kampagnen stehen. Und wir haben gesehen: `Ich nehme Rassismus persönlich` ist eine Kampagne, die  schon seit knapp zwei Jahren jetzt läuft und jetzt sehr gut dazu gepasst hat, was wir vor hatten in dem Rahmen. Wir haben uns dann zusammengeschlossen, überlegt wie kann man das machen? Wie können wir unsere Spieler einbinden? Wie können wir gleichzeitig aber auch ein deutschland-weites Signal setzen? Und dann hat sich das so ergeben.“

(Ausschnitt aus Videoclip)

„Gut, dass die Lilien sagen, wir sind anders. Kein Platz für Rassismus. Nicht auf dem Platz, nicht an der Seitenlinie, nicht im Stadion, nicht im Fanclub. Nicht in Darmstadt. Kein Platz für Rassismus.“

Markus N. Beeko , der Generalsekretär der deutschen Sektion von Amnesty International im Videoclip von Darmstadt 98. Auch er hat wie der Fußballer Erich Berko einen ghanaischen Familienhintergrund. Berko verfolgt aktuelle rassistische Übergriffe auch international sehr aufmerksam:

„Wenn man zum Beispiel nach Amerika rüber guckt, da  hat ja schon wieder eine Polizistin einen jungen, dunkelhäutige Menschen erschossen. Das sind natürlich die Extrembeispiele, die  drüben in Amerika passieren. Aber auch hier in Europa gibt es des Öfteren, wenn man jetzt in den Fußball schaut.  Es war jetzt in der Europa League glaube ich, dass ein Spieler von Glasgow beleidigt wurde. Oder aber auch in der „La Liga“ vor zwei Wochen wurde ein Spiel -  Ich glaube, es war Cadiz gegen Valencia -  unterbrochen, weil es da auch wohl Vorkommnisse gab in die Richtung. Wie man sieht:  Es sind keine Einzelfälle, und deswegen muss man immer noch aktiv dagegen vorgehen.“

Das Fußball-Spiele bei rassistischen Übergriffen etwa von der Tribüne sofort unterbrochen und die Fälle im Zusammenspiel zwischen Vereinen und der in den meisten Situationen großen antirassistischen Mehrheit der Fans konsequent geahndet werden – das hält Erich Berko für sehr wichtig:

„Definitiv.  Ich denke das mal so auch: oftmals sind es ja einzelne Personen, die sich in einer großen Masse halt dann Ende verstecken oder in einer Gruppe agieren und das nicht alleine machen. So, und da ist es dann schon so wenn jetzt zehn Leute von hundert meinen, das Spiel torpedieren zu müssen oder irgendjemanden beleidigen zu müssen und die anderen 90 das nicht akzeptieren -  dann müssen die zehn gehen.“

Mit eingefleischten Rassisten sei es sehr schwer, ins Gespräch zu kommen, sagt Erich Berko.

„Es kommt immer darauf an, mit wem. Weil manche Menschen haben, ihre mehr festgefahrene und vorgebildete Meinung und dagegen anzukommen ist dann im ersten Moment erst einmal schwierig. Aber es ist definitiv auch schon vorgekommen, dass man diverse Menschen überzeugen konnte, weil sie dann noch gesehen haben: Okay, es ist doch nicht so, wie es erzählt wurde, Aber  das wirkt dann auf mich so, wie wenn es dann hieß:  Ja, Du bist halt ein korrekter.“

Das heißt – im Grunde bleibt ein Rassist oft grundsätzliche bei seiner Meinung – lediglich bei Einzelpersonen lenkt er ein:

„Ich habe das mal mitbekommen in meinem Umfeld. Da hat jemand mal gesagt: Ja, das ist halt mein Kanake.“

Erich Berko will über die menschenverachtende Seite des Rassismus möglichst schon Kinder aufgeklärt wissen.

„Kampagnen sind richtig und wichtig, um wach zu rütteln. Aber da muss man schon immer am Ursprung arbeiten. Weil ich der Meinung bin, dass keiner mit irgendwelchen Vorteilen geboren wird, sondern das entwickelt sich. Und dass ist eher der Punkt, wo man ansetzen sollte, wenn man da dann wirklich längerfristige Veränderungen haben möchte in der Gesellschaft.“

Jan Becher  -der social-media-Manager  von Darmstadt 98 - glaubt, dass gerade Jugendmannschaften im Fußball da sehr hilfreich sein können, weil in ihnen ohnehin eine große Vielfalt herrsche:

                 „Wenn wir auch im Rahmen der Kampagne mit Spielern gesprochen haben, ist es ja so, dass Fußball, glaube ich, in jeder Kabine erst einmal Vielfalt abbildet. Ich weiß jetzt gar nicht, ob man in der Jugend unbedingt aktiv sagen muss: Hier guck mal, wie sind alle Menschen oder alle Personen, weil das in der Kabine einfach automatisch passiert. Also, ich glaube, Erich wird es am besten wissen, er hat jahrelang in Jugendmannschaften gespielt. Da ist es einfach nie Thema gewesen: Wo kommt jemand her, welche Religion, welchen Glauben hat jemand, sondern man hat zusammen das Ziel, drei Punkte zu gewinnen. am Wochenende. Oder in der Jugend vermehrt vielleicht auch nur Spaß haben, einfach mit Kumpels. Und deswegen ist es vielleicht die beste Aufklärung, die beste Maßnahme, die man da von vornherein machen kann - weil einfach jeder in diesem Umfeld aufwächst und sich so Gedanken dann überhaupt nicht bilden können.“ 





Am 22. April 2021 wird die neue Geschäftsstelle des Pen-Zentrums Deutschland auf der Mathildenhöhe Darmstadt eingeweiht. Es sprachen: Jochen Partsch, der Oberbürgermeister der Stadt, Ralf Nestmeyer – Vizepräsident und Writers-in-Prison-Beauftragter sowie Ludger Hünnekens, Kulturbeauftragter der Stadt Darmstadt. Sie stellen in ihren Reden das neue Domizil, den aktuellen Stand der Welterbe-Bewerbung für die Mathildenhöhe Darmstadt vor - sowie weitere Kultureinrichtungen im Umfeld. (Audio mit den Einweihungsreden oben) Unten das Gedicht des PEN-Mitglieds Eugen Gomringer, das auf der Fassade der neuen Geschäftsstelle des Schriftsteller*innen-Verbandes gewissermaßen ein Exil gefunden hat:














Im März 2021 fuhr ich durch Hessen, um Menschen zu treffen, die sich in Initiativen, in Rathäusern oder in Bildungseinrichtungen gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren. Die Reise ging von der Gemeinde Wesertal im äußersten Norden des Bundeslandes über Kassel  nach Büdingen in der Wetterau, um dann über Hanau in Frankfurt am Main zu enden. Entstanden ist daraus ein rund 40-minütiges Wochenendjournal im Deutschlandfunk, das am Samstag, den 27.3. ab 9.10 Uhr ausgestrahlt wurde. Hier die Tondatei:

 ...unten die Fotos der Reportage-Orte und von einigen Gesprächspartner*innen:


Die drei Fotos oben stammen aus der Gemeinde Wesertal - die Leute gehören zum Verein "Wesertal ist bunt"

Transparent vor der Volkshochschule Kassel

Erich Spamer, der Bürgermeister von Büdingen, muss sich im Stadtparlament mit der NPD und seit der Kommunalwahl Mitte März 2021 nun auch mit der AfD auseinandersetzen

Andreas Jäger, der Opferbeauftragte der Stadt Hanau, führte mich zu einem der Tatorte des 19. Februar 2020

Das Ladenlokal der Initiative "19. Februar Hanau" in der Innenstadt

Die letzte Station dieser Reise: Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main


https://www.deutschlandfunk.de/juedisches-museum-frankfurt-neueroeffnung-mit-storytelling.691.de.html?dram:article_id=486086


Hanau - Mahnwache in Kesselstadt, Jahreswechsel 2020/2021

 


 

Menschenkette am Dannenröder Forst am 25.10.2020

https://www.deutschlandfunkkultur.de/a-49-und-der-dannenroeder-forst-in-hessen-protest-gegen.1001.de.html?dram:article_id=485807


Quelle. Reinhard Forst sowie https://schutzgemeinschaft-gleental.de/kontakt/